Beitrag, der fast nichts mit einer apulischen Hochzeit zu tun hat

Eine typisch apulische Hochzeit ist eine Inszenierung.

Das fängt schon beim opulenten Brautkleid an, das nie weniger als 1000 Euro kostet, geht über das exakt getimte Einrollen in einem festlich geschmückten Oldtimer vor der Kirche bis hin zur opulenten Feier an einem auf große Feste spezialisierten Veranstaltungsort mit einem Innen- und Außenbereich, oft einem Pool und einem schönen Garten für entsprechend ansprechende Fotos. Da sitzt man dann gern mal sieben Stunden lang und hangelt sich mit immer schwerer werdendem Magen von Gang zu Gang bis das Essen und damit auch oft die Feierlichkeiten beendet sind. Zwischendurch verschwindet das Brautpaar mit dem Fotografenteam, welches die Frischvermählten in nahegelegene Örtlichkeiten wie Parks oder schöne Altstädte entführt, um zusätzlich zu den Hunderten von Fotos, die schon zu Hause, vor, an und in der Kirche, sowie in der Feierlocation geschossen wurden, noch Hunderte andere aufzunehmen. Häufig wird auch eine DVD mit einem Film produziert, der schon beim Kennenlernen des Brautpaars anfängt und diesen historischen Moment nachstellt, bevor es zur eigentlichen Hochzeit kommt. Natürlich fängt die Planung für dieses familiäre Jahrhundertevent schon ein bis zwei Jahre vorher an und beinhaltet Bekleidungsproben, Frisier- und Make-up-Proben sowie Menüproben. Nichts wird am bisher wichtigsten Tag des Lebens dem Zufall überlassen.

Deshalb ist eine apulische Hochzeit auch ungefähr so aufregend wie die zigste Wiederholung eines Films im Abendprogramm und als einer der mindestens 100 Gäste ist man genötigt, diese Opulenz mitzufinanzieren, denn bei dieser Art von Feier wird erwartet, dass man auch als Nichtverwandter mindestens 200 bis 300 Euro pro geladener Person dazu beiträgt. Dementsprechend enthusiastisch reagierte ich, als Luigi mich im Mai fragte, ob wir spontan zur Hochzeit einer Freundin gehen wollten, die ich kaum kannte. Noch dazu wären wir gar nicht eingeladen. Also das war doch ein absurde Frage! Natürlich wollte ich nicht! Doch alles änderte sich, als er meinte, dass besagte Hochzeit am nächsten Wochenende, das Sonnenschein und Wärme versprach, in Alberobello stattfinden würde.

Alberobello war immer ein festes Reiseziel im Jahreskalender gewesen, solange Triggiano noch eine Bahnverbindung dorthin hatte, denn die Bahn setzte einen direkt vor den Toren der Altstadt ab und sorgte dafür, dass man nach üppigen Verkostungen von Aufstrichen, Keksen und vor allem diversen leckeren Likören, die dort zum festen Souvenirprogramm für Touristen gehören, wieder sicher nach Hause kam.

Doch auch abgesehen von Likörverkostungen ist Alberobello nicht nur die wohl schönste Touristenfalle Apuliens, sondern auch ein Unesco Weltkulturerbe und gehört zu einem Besuch der Region unbedingt dazu. Schon vor Jahren habe ich darüber einen Beitrag verfasst und bis heute hat sich daran nichts geändert. Also setzten wir uns am nämlichen Tag ins Auto und fuhren die 40 Minuten über Land, um der Braut vor der Kirche zuzuwinken, die Brautmutter zu umarmen, die tatsächlich freudig überrascht war, und ihre eine Glückwunschkarte mit einem angemessenen Hochzeitsbeitrag für Leute, die nur vor der Kirche anwesend gewesen waren, zuzustecken.

Natürlich war es rührend, die junge Frau dabei zu beobachten, wie sie mit einem gigantischen Lächeln von einem Ohr zum anderen von den Fotografen mit verschiedenen Personen hierhin und dahin positioniert wurde, während sie eigentlich nur in die Kirche zu wollen schien. Auch das Schaulaufen der anderen Gäste glich einer eleganten Modenschau mit festlichen Gewändern für jedes Alter. Tatsächlich fand ich es ungemein interessant, aber war wirklich froh, da nicht mitlaufen zu müssen. Davide hingegen geriet völlig aus dem Häuschen, weil ein Fotograf schon eine Stunde vor dem Termin Übungsflüge mit einer Drone durchgeführt hatte, und hätte gern ein paar Fachgespräche geführt, wofür der Fotograf verständlicherweise keine Nerven hatte.

Wir warteten also, bis die Braut von ihrem Vater in die Kirche geführt worden war, und dann stürzten wir uns ins Touristengetümmel zwischen den historischen Kegelbauten, Trulli genannt. Hier genossen wir bei strahlendstem Hochzeitswetter einen Aperitif auf einer Terrasse über den Dächern der Trockensteinbauten und stießen auf das Wohl des Brautpaars an. Davide war völlig begeistert und bezaubert von dem märchenhaften „Zwergendorf“ und interessierte sich sehr für eine Werkstatt, in der ein Handwerker aus kleinen Steinchen in Handarbeit Trulli in Miniatur herstellte.

Ich, die fahren musste, kaufte „blind“ eine Flasche Kaktusfeigenlikör, weil man damit eigentlich nichts falsch machen kann, und andere Mitbringsel brauchen wir nicht mehr. So, waren wir am Ende doch sehr froh über die Hochzeit, an der wir nicht teilnehmen mussten, und ich kann ein paar aktuelle Bilder der einzigartigen Trullistadt mit euch teilen. Ich finde, die Taufe des zukünftigen Kindes könnte in der gleichen Kirche zelebriert werden besonders, weil bis Ende nächsten Jahres unsere Bahnstrecke wieder eröffnet werden soll. Auf beide Events habe ich inzwischen schon mehrmals mit mir selbst und einem Glas Kaktusfeigenlikör angestoßen. Also, ihr lieben Verheirateten, seid fruchtbar und mehret euch, dann schafft ihr es, bis die Bahn wieder fährt! Prost 2026!

10 Gedanken zu „Beitrag, der fast nichts mit einer apulischen Hochzeit zu tun hat

  1. Avatar von UnbekanntAnonymous

    Toller Bericht!

    Für die Berechnung von Hochzeitsgeschenken zu einer Feier in Apulien gibt es diese Formel:

    Bewirtungskosten zuzüglich Geld-Geschenk in angemessener Höhe, oft wird die Hochzeitsreise davon finanziert.

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  2. Avatar von NanuB.

    Das war ein ganz toller Bericht. Ich habe mich köstlich amüsiert und mich an eine polnische Hochzeit erinnert, die ähnlich abgelaufen ist. 😁 Nur war das Ambiente längst nicht so schön (unter uns gesagt 😉)

    Die Häuschen sind auch zu schön. Irgendwie muss ich da immer an die Schlümpfe denken.😁
    Liebe Grüße, B.

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    1. Avatar von CorinnaCorinna Autor

      Danke für das Kompliment! Ich freue mich, dass dich dieser Bericht erheitert hat. Ich habe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge geschrieben.

      Das mit den Schlümpfen verstehe ich gut. 😉

      Ich hoffe, du bist wieder gesund und munter!

      Liebe Grüße! Corinna

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