Schlagwort-Archive: Rückkehrer

Mandelliebe

Über die Schönheit und die zahlreichen Sehenswürdigkeiten Apuliens habe ich auf diesem Blog schon ausführlich geschrieben, aber natürlich ist Apulien nicht nur landschaftlich schön und eine Fundgrube für Geschichtsinteressierte, sondern auch ein wichtiges Anbaugebiet für landwirtschaftliche Exportschlager wie Weintrauben und Oliven, sowie deren Öl. Wer hätte aber gedacht, dass sich ganz in der Nähe der weißen Stadt Ostuni ein kleines Juwel des nachhaltigen Mandelanbaus befindet?

Bisher hatte ich nämlich eher den Eindruck, dass die Apulier ihren obligatorischen Mandelbaum nur für den Hausgebrauch auf dem Grundstück zu stehen haben. Diese fallen besonders im Frühling ins Auge, weil sie hier als eine der ersten Pflanzen das Winterende verkünden, indem sie ihre weißen bis blassrosa Blüten in den Frühlingshimmel recken. Aber dann hat mich Simon angeschrieben und mir vom kleinen Mandelanbau seiner Schwiegereltern berichtet, die es nach ihrem dreißigjährigen Arbeitsleben in Deutschland zurück nach Apulien gezogen hat, um auf einem kleinen Hof unter anderem in Handarbeit Mandeln der besten Qualität anzubauen, welche sie in ihrem Webshop www.mandelliebe.de an die deutschsprachigen Liebhaber von Mandeln bringen.

Neugierig geworden, habe ich ihm ein paar Fragen gestellt, denn ein liebevoller Anbau im Einklang mit der Natur und besonders der Fokus auf die Handarbeit haben mich sofort angesprochen. Herausgekommen ist ein interessantes Interview, das ich gern mit euch teilen möchte.

Hallo Simon, euer Hof befindet sich unweit der „weißen Stadt“ Stadt Ostuni. Seid ihr denn ursprünglich aus Apulien?

Meine Frau Valentina und ihre Familie stammen tatsächlich aus der Nähe von Ostuni. Ich hingegen komme aus Deutschland. Heute verbinden wir beide Welten miteinander: Valentinas Eltern Andreas und Tina leben überwiegend in Ostuni und kümmern sich um die Felder. Wenn wir im Urlaub in den Süden fahren unterstützen wir die beiden und helfen bei der Ernte.

Als Valentina noch ein Kind war, sind ihre Eltern wegen der Arbeit nach Deutschland gezogen und haben ein Restaurant in Karlsruhe eröffnet. Der Alltag war natürlich geprägt von Gästen, Küche, Service und langen Arbeitstagen. Nach etwa 30 Jahren entschieden sie sich dann dafür, ihren Lebensabend in Süditalien zu verbringen und in Ostuni einen kleinen Bio Bauernhof zu bewirtschaften. Das Leben auf dem Hof ist ruhiger, naturverbundener und die abwechslungsreiche Arbeit folgt viel stärker dem Rhythmus der Jahreszeiten. Natürlich möchten sie hier auch ihren Ruhestand genießen, wobei das manchmal bei der selbst auferlegten Arbeit eher weniger gelingt.

Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Auf der anderen Seite ist aber auch nicht jeder dafür geschaffen, irgendwann die Hände in den Schoß zu legen und der produktiven Tätigkeit für den Rest des Lebens abzusagen. Aber warum sind deine Schwiegereltern eigentlich nicht in Deutschland geblieben? Ich denke da vor allem an die bessere Krankenversorgung, sowie die soziale Einbindung über 30 Lebens- und Arbeitsjahre.

Sie sind nach Süditalien gezogen, um dort das schöne Wetter, die Lebensqualität und die entspannte Mentalität zu genießen. Dabei gibt es es je nach Jahreszeit mehr oder weniger viel zu tun: Pflegearbeiten, Schnitt, Ernte, neue Bäume setzen, manchmal leider auch alte Bäume entfernen. Ich glaube, bei der landwirtschaftlichen Arbeit macht es einen großen Unterschied, ob man große Ländereien bewirtschaften muss oder ob man sich ganz bewusst dafür entscheidet, auf nachhaltiger Basis kleine Parzellen für den Eigenbedarf und ein kleines ausgewähltes Kundensegment zu bedienen. Auch haben Andreas und Tina den großen Vorteil, dass sie für ihre Rente vorgesorgt haben und ihre Mandelproduktion mehr ein kleiner Nebenverdienst, sowie ein Dienst an der Natur ist. Somit können sie selbst entscheiden, was und wie viel sie machen möchten. Manchmal bleibt sogar Zeit, Dienstleistungen für andere zu erbringen: zum Beispiel vor dem Sommer das Mähen von Privatgrundstücken, Gartenarbeiten oder die Gestaltung von Außenanlagen. So ist kein Tag wie der andere.

Zum trocknen ausgebreitete Aprikosen, leckere Maulbeeren, pralle Kirschen, saftige Kaktusfeigen und sonnen-getrocknetes Gemüse… An deinen Fotos sieht man sehr gut, dass deine Schwiegereltern alles lieben, was man aus der süditalienischen Tradition so kennt. Wie seid ihr dann noch auf die Mandelproduktion gekommen?

Das war gar nicht so abwegig, denn die Mandeln gehören seit Jahrhunderten zur Landschaft rund um Ostuni dazu. Viele kleine Parzellen sind heute aufgegeben, weil sich die industrielle Landwirtschaft kaum für kleine Höfe lohnt. Wir wollten diese Tradition wiederbeleben – und gleichzeitig zeigen, dass nachhaltiger Anbau möglich ist. Auch ist das Bakterium Xylella, das aktuell eine starke Bedrohung für den Bestand an Olivenbäumen darstellt, ein Grund, warum wir die Artenvielfalt in Apulien weiter unterstützen wollten.

War es schwierig eure Idee von einer nachhaltigen Mandelproduktion in Apulien umzusetzen?

Wir haben uns bewusst für kleine Schritte entschieden: wenige Bäume, viel Handarbeit, klare Fokussierung auf Qualität statt Masse. Uns hat geholfen, dass wir unabhängig sind und keinen Druck haben, große Mengen liefern zu müssen. Dadurch ist und war das bürokratische Thema relativ einfach zu handhaben.

Apulien ist im Sommer von langen Trockenperioden betroffen. Für die so charakteristischen Olivenbäume war es in diesem Jahr besonders schlimm. An den ausgedörrten Früchten erkennt man genau die Felder, welche nicht bewässert wurden oder werden konnten. Wie gelingt euch der Spagat zwischen dem Verdienst und der Nachhaltigkeit?

Genau das ist unser Knackpunkt: Wir verzichten bewusst auf großflächige Bewässerung und setzen stattdessen auf alte, resistente Sorten wie die Cegliese und Tondina. Sie kommen mit wenig Wasser aus, wenn auch auf Kosten der Erntemenge. Aber uns ist es wichtiger, die Umwelt zu schonen, als kurzfristig mehr zu verdienen.

In Deutschland machen jedes Jahr Artikel von apulischen Tomatenpflückern, bestehend aus schwarz arbeitenden, illegalen Einwanderern die Runde. Wie ist die Mandelernte bei euch organisiert?

Bei uns ist die Ernte reine Familiensache. Wir schütteln die Bäume, sammeln die Mandeln per Hand auf und sortieren sie anschließend. Das dauert länger – aber es gibt uns die Kontrolle über Qualität und Fairness. Ausbeutung und Schwarzarbeit passen nicht zu unserer Idee von nachhaltiger Landwirtschaft und der Menschenwürde, die in den heutigen Zeiten wieder aktiv verteidigt werden muss.

Denkst du, dass in Apulien oder in Italien das Bewusstsein für nachhaltigen Anbau und faire Preise in der Landwirtschaft noch nicht angekommen ist? Oder woran liegt es, dass der italienische Markt zunächst nicht so interessant für euch ist, sondern die meisten Kunden in Deutschland leben?

Tatsächlich glauben wir, dass in Deutschland der Gedanke der Nachhaltigkeit etwas weiter ist, als in Italien und insbesondere in Süditalien und man auch eher bereit ist, höhere Beträge für nachhaltige Produkte zu zahlen. Zudem mussten wir uns in irgendeiner Weise entscheiden, welchen Markt wir als erstes ansprechen, da es sonst schnell zu viel für uns geworden wäre.

Also ich verfeinere gern mit Mandelmehl meine Kuchen und Vanillekipferl sind ohne Mandeln auch undenkbar. Mein Sohn hingegen nimmt sie oft als gesunden Snack mit in die Schule. Wie sieht es denn bei euch persönlich in Sachen Mandelliebe aus?

Wir essen täglich Mandeln – ob im Müsli, als Snack oder im Salat. Ein Lieblingsrezept ist wirklich schwer zu finden. Da kocht Valentina einfach viel zu leckere Sachen um sich hier für etwas entscheiden zu können. Allgemein sind die Süßspeisen auf Mandelbasis meine Favoriten.

Mandelgebäck im Steinofen – Foto: http://www.mandelliebe.de

Das kann ich wirklich gut verstehen. Danke für die ausführlichen Antworten und noch eine letzte Frage: Wenn ihr etwas in Apulien besser machen könntet, was wäre es?

Wir wünschen uns mehr Wertschätzung für kleine Landwirtschaftsbetriebe. In Apulien gibt es viele Familien, die traditionell und nachhaltig arbeiten, aber oft keine Stimme haben. Es wäre schön, wenn diese Arbeit mehr Unterstützung und Sichtbarkeit bekäme. Für unsere persönliche Zukunft wünschen wir uns, dass Mandelliebe langsam, aber stetig wächst – ohne den Kern zu verlieren: kleine Mengen, nachhaltiger Anbau und familiäre Werte.

Mandelernte – Foto: http://www.mandelliebe.de

Dafür drücke ich euch natürlich alle Daumen und wünsche mir, dass zahlreiche meiner geschätzten Leser eure Seite www.mandelliebe.de besuchen. Da gibt es noch viel mehr Infos rund um den Mandelanbau, Rezepte und einen Shop für alle die, die nun am liebsten auch leckere Mandeln aus Ostuni knabbern möchten. Wer jetzt vorbestellt, kann in ein paar Wochen, frische Mandeln der diesjährigen Ernte genießen.