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Auf Zeitreise im Naturkundemuseum

Für unsere Übernachtung am verlängerten Feiertagswochenende des 2. Juni hatten wir das B&B „Villa delle Rose“ gewählt. Dabei handelt es sich um einen Bauernhof mit einem großen Herrenhaus, welches zu einem kleinen Hotel umgebaut wurde. Die Familie verdient sich mit einem Restaurant, Übernachtungen und als Veranstaltungsort etwas zur Landwirtschaft dazu. Oder auch umgekehrt. Als wir dort ankamen, wimmelte es nur so von Menschen und vor allem von Müttern, die ihre Sprösslinge auf dem Spielplatz schaukelten und ihnen beim Rutschen zusahen. Was war denn hier los?

Im Mai und Juni ist traditionell die Zeit der Kommunionsfeiern. Davon fanden gleich zwei auf dem weiten Anwesen mit einer kleinen Kapelle sowie einer großzügigen Terrasse und zwei Sälen im Erdgeschoss statt. Als die vielen Leute abgereist waren, wurde es ruhig und wir konnten den Abend zwischen unzähligen Katzen, verfressenen Ziegen, ein paar Ponys, einem Pfau und vielen kleinen Fröschen im Teich gemächlich ausklingen lassen. Tatsächlich gefiel es uns so gut, dass wir beschlossen, bei unserem nächsten Ausflug wieder in der Rosenvilla zu übernachten.

Nach einem tiefen Schlaf und einem üppigen Frühstück mit hausgemachtem Kuchen, Marmelade, Honig, Käse und Aufschnitt fühlten wir uns gut erholt und waren bereit für die Abtei des Erzengels Michael, die sich inmitten des grünen Dschungels des Nationalparks über dem großen Monticchio-See erhebt. Glücklicherweise hatten uns die freundlichen Gastgeber unseres B&B „Villa delle Rose“ auf das Naturkundemuseum in der Abtei hingewiesen und gemeint, es wäre vor allem für Kinder interessant. Das Museum befindet sich in den untersten Teilen der erst unlängst restaurierten Abtei, die inzwischen von den Mönchen aufgegeben wurde. Aber das Gebäude birgt natürlich eine lange Geschichte angefangen mit einer Höhlenkirche auf der flachen Uferseite des Sees, über eine erste Abtei aus Stein, die aber im 15. Jahrhundert nach einem Erdbeben aufgegeben und an der heutigen Stelle wiedererrichtet wurde. Dabei sind Höhlen seit der Urgeschichte als Schutzzonen der Menschen im kulturellen Bewusstsein verankert. Da ist es nur logisch, dass sie irgendwann auch Gebetsräume wurden. Doch in der Kirche des Heiligen Michael fand bei unserem Besuch gerade eine Messe statt, bei der wir als Touristen nicht stören wollten. Deshalb ließen wir sie für einen anderen Besuch auf der To-do-Liste stehen und wandten uns dem Museum zu.

Am Eingang des „Museo di Storia Naturale del Vulture“ empfing uns am italienischen Nationalfeiertag der ehrenamtlich arbeitende Führer Leonardo und geleitete uns auf eine anregende Reise durch die Vergangenheit der Vulture Region. Unsere Kinder Davide und Laura waren sofort begeistert, als er einen Feuerstein und einen etwas gammelig aussehenden Baumpilz zur Hand nahm und erklärte, dass die Urmenschen hier nicht nur Feuer anzünden, sondern dieses mit Hilfe des langsam verglimmenden Baumpilzes, der bis heute in den Laubwäldern um den See herum wachse, über weite Strecken durch die Gegend tragen konnten.

Anschließend ging es um die Pflanzen und Tiere, die im heutigen Nationalpark zu finden sind und dabei auch um unwillkommene Gäste, die von achtlosen Menschen in die Seen eingebracht worden sind und sich hier schnell breitgemacht haben, indem sie die einheimischen Fischarten verdrängten. Zu ihnen gehören der Wels und die amerikanische Sumpfschildkröte, welche in einem gemeinsamen Projekt mit der Universität von Bologna unter Kontrolle gebracht werden sollen. Auch Sportangler wurden in das Programm eingebunden und dafür sensibilisiert, welche Arten aus den Seen entfernt und welche geschützt werden müssen.

Als wir über einen an Lava erinnernden, rotorangen Glasfußboden weitergingen, hörte man wieder unterdrückte Begeisterungsrufe. Längst ist beschlossene Sache, dass wir nach dem Museumsbesuch nicht nur auf „Feuertransportpilz“-Suche gehen, sondern auch nach Vulkangestein Ausschau halten werden müssen. Das kommt davon, wenn man mit Kindern nur mal schnell ins Museum gehen will und sie sich von der Begeisterung ihres Museumsführers anstecken lassen. Leonardo nach war der Monte Vulture nur ein Schlot eines seit mehr als Hundertausend Jahren inaktiven Vulkans von enormer Ausdehnung und die Monticchio Seen zwei weitere Schlote, die jedoch über die Jahrmillionen in sich zusammengefallen waren.

Allerdings wurde durch das ganze Vulkangestein die Gegend unheimlich fruchtbar, weshalb sich mein an graugrüne Oliven und versengtes Gras gewöhnte apulische Auge an all den Grüntönen aus Eichen, Buchen und anderen Laubbäumen hier kaum sattzusehen vermochte.

Gesteinsproben aus der Vulture-Region

Der Museumsbesuch in der Abtei wird jedoch auch dazu führen, dass Davide den halben Sommer mit einem Kescher auf der Terrasse herumlaufen wird, um Schmetterlinge zu fangen, denn gegen Ende des Rundgangs wurden wir mit der Spezie „Acanthobrahmaea europaea“ bekannt gemacht. Eigentlich stamme diese aus Afrika und sei in Europa nur in der Monticchio-Gegend zu finden, erfuhren wir. Schon wieder eine faszinierende Geschichte!

Die Wurzeln dieses braun-grauen Schmetterling reichen bis in die Zeit zurückr, als der Urkontinent Pangea gerade auseinanderzudriften begann und sich die heutigen Kontinente formten. Aber nicht nur Brameas Auftreten als lebendes Fossil ist beeindruckend, sondern auch sein Leben. Der Schmetterling verbringt lediglich zwei Tage und Nächte damit durch den Nationalpark zu flattern und diese nur, um sich fortzupflanzen. Um wie alle anderen Schmetterlingsarten an Blüten zu naschen, hat er keine Möglichkeit, weil er weder Esswerkzeuge noch einen Verdauungstrakt besitzt. Sein Lebenszyklus und die Besonderheiten des Lebensraums, in denen er zu Hause ist, wird mit Hilfe eines Videoclips in Kinooptik erklärt, mit dem die Ausstellung endet. Mit so einem Highlight als „Rausschmeißer“ verlässt man das Museum begeistert und motiviert, draußen sofort wieder in die Natur der Vulture-Region einzutauchen. Mission erfüllt, würde ich sagen.

Wir hatten jedenfalls eine gute Stunde Spaß und zahlreiche Aha-Effekte, aber das Beste war definitiv, dass es unserem ehrenamtlichen Führer gelang, unsere Kinder die ganze Zeit in seine Präsentationen einzubinden, geduldig alle ihre Fragen zu beantworten und immer auf kleine Besonderheiten hinzuweisen, die wir ohne ihn sicher übersehen hätten. Auch deshalb dauerte unsere Führung ein klein wenig länger als geplant und er musste sofort zur nächsten Gruppe eilen, als er uns am Ausgang verabschiedet hatte.

Man kann den vielen Menschen, die sich ehrenamtlich für Kultur und Geschichte in ihren Regionen engagieren und sogar ihre Feiertage dafür opfern, gar nicht genug danken. Das gilt nicht nur für das kleine Museum auf dem Hügel in der Basilikata. Vielleicht kennt ihr, liebe Leser, auch Einrichtungen in eurer Region, die ohne Freiwilligenarbeit nicht zu denken wären, oder seid sogar selbst irgendwo aktiv. Lasst gerne einen Kommentar und einen Link da, wenn ihr das mit uns teilen wollt.

Natürlich kann ich das kleine Regionalmuseum „Museo di Storia Naturale del Vulture“ in der Abtei allen empfehlen, die in der Gegend sind. Der Eintritt kostet inklusive Führung drei Euro für Erwachsene und einen Euro für Kinder.


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Bleibt noch hinzuzusetzen, dass wir unsere Kinder darauf vorbereitet hatten, dass sie sicher keinen Feuertransportpilz finden würden, wenn sie für nur zehn Minuten den Wald längs der Straße am großen See durchstürmten. Aber natürlich triumphierten sie schon nach ein paar Schritten, als sie tatsächlich einen abgestorbenen Baumpilz auf dem Waldboden fanden. An manchen Tagen passt einfach alles!