Das Städtchen der Venus

Nachdem es uns in der Vulture-Region schon Anfang Juni so gut gefallen hatte, beschlossen wir kurzerhand, in diesem Jahr noch einmal mit meiner Mama dorthin zu fahren. Denn – obwohl man es bei den vielen Blogbeiträgen über die unterschiedlichsten Orte nicht glauben mag – waren und sind uns immer noch einige Highlights entgangen.

Mitte Juli wählten wir die Anfahrt über Venosa, hatten wir doch schon im letzten Oktober während eines Schlossbesuches in Melfi erfahren, dass zahlreiche Stücke der dortigen Ausstellung von einer Ausgrabungsstelle im nahegelegenen Städtchen Venosa stammten. Um 300 vor Christus herum wurde die ursprüngliche Siedlung nämlich von den Römern erobert, nach der Göttin der Liebe „Venusium“ betitelt und an die wichtigste Landesstraße ihrer Zeit, die Via Appia, angeschlossen. Und dann erblickte 65 v. Chr. in dieser sympathischen Stadt auf einem Hügel unmittelbar hinter der apulischen Regionsgrenze auch der berühmte, römische Dichter, Denker und Philosoph Horaz das Licht der Welt. Sein vermeintliches Geburtshaus kennzeichnet heute eine große, seiner Bedeutung angemessene Steintafel.

In der Folgezeit wurde Venosa eine wichtige römische Stadt, wovon in der örtlichen Ausgrabungsstätte u.a. Tempel, Bäder und ein Amphietheater zeugen. Die wechselnden Herrschergeschlechter im Mittelalter sorgten jedoch für den Niedergang Venosas mit einem nur kurzzeitigen Wiederaufblühen im späten Mittelalter. Danach machte die Stadt nur noch einmal im Zusammenhang mit dem Briganten Carmine Crocco Schlagzeilen, über dessem unglaublicher Lebensgeschichte wir zwei Tage später im „Brigantenmuseum“ von Rionero in Vulture noch Genaueres erfahren sollten.

Venosa hat außer der Ausgrabungsstätte auch eine typische Altadt mit engen Straßen, Gassen und geschlossenen Häuserzeilen, eine wuchtige Kirche an der Piazza Municipio und das fast schon obligatorische süditalienische Kastell zu bieten, sodass man sich hier gut einen Tag aufhalten kann. Zudem haben wir in dem kleinen, blitzsauberen Cafe-Restaurant „Gaudet“ direkt vor der Sankt Andreas-Kathedrale ausgesprochen gut gessen, was bei solch intensiven Kulturreisen eine wichtige Vorraussetzung zum Durchhalten ist.

Von dort aus liegt die Ausgrabungsstätte dann auch nur einen kurzen Fußmarsch entfernt, aber wer will, kann ebenso bequem direkt vor der Umzäunung der römischen Reste parken. Hier direkt an der Einfallstraße wurden drei sich kreuzende römische Pflasterstraßen, Thermalbäder, Tempelreste und ein Haupthaus mit Mosaiken freigelegt.

Dahinter erhebt sich fast majestätisch und irgendwie nordisch die Ruine der Abtei der Heiligen Dreifaltigkeit, welche so restauriert wurde, dass man ihre Bauphasen in den einzelnen Epochen gut erkennen kann. Da sieht man Mauern, die einfach auf den Mosaikfußboden eines römischen Gebäudes aufgesetzt wurden. Südlich dieser alten Kirche stehen Reste einer Basilika und der letzte Versuch einer Überbauung mit einem Sakralbau lässt deutlich erkennen, dass man sich zwecks Materials an den umliegenden Steinen der Vorzeit bedient hat. Hier zeigt sich also wieder einmal das, was man in Süditalien an vielen Orten erkennen kann und wir bisher am eindrucksvollsten in Canosa erfahren hatten: die jeweiligen Zeugnisse der Zivilisationen wurden periodisch durch Kathastrophen zerstört, von den folgenden Generationen überbaut und dem Zeitgeist angepasst.

Alles sehr interessant, aber vor allem mit Hilfe der Mitarbeiter des Pro Loco und großer Informationstafeln erkenn- und erlebbar gemacht. Der Eintritt kostet 3 Euro pro Person. Für 5 Euro bekommt man eine Eintrittskarte, welche auch das Nationalmuseum „Mario Torelli“ im Schloss von Venosa mit einschließt. Und wer noch einen Euro drauflegt, darf mit dem gleichen Ticket auch das Museum im Schloss von Melfi besuchen. Hier lohnt es sich also, genauer zu planen, um 3 interessante Ausstellungen, die den historischen Zeitraum von der Urgeschichte bis zu den Römern abdecken, zu einem wirklich, wirklich günstigen Preis mitzunehmen.

Wir hatten nicht direkt schon wieder Lust auf Tongefäße in Vitrinen. Deshalb sahen wir uns das Schloss dieses Mal nur von außen und von der öffentlich zugänglichen Empore an. Dann fuhren wir in Richtung Monticchio weiter zur „Villa delle Rose“, um den späten Nachmittag im Schatten von Bäumen und umgeben von Tieren bei einem kühlenden Bad im kleinen Swimmingpool ausklingen zu lassen.

Ein Gedanke zu „Das Städtchen der Venus

  1. Avatar von NanuB.

    Tolle Fotos und es war wirklich interessant zu lesen, dass es noch so viele Zeugnisse der Römer um euch herum zu besichtigen gibt.
    Liebe Grüße, B.

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