Die Stadt Melfi liegt im süditalienischen Hinterland der Basilikata und hat sich selbst zur „Hauptstadt der Falknerei“ auserkoren. Nicht zufällig erhebt sich auf einer Hügelkuppe auch hier ein Kastel, dessen Wurzeln bis auf die Byzantiner und natürlich ebenso den in Apulien allgegenwärtigen Stauferkaiser Friedrich II. zurückgehen. Letzterer ist auch heute noch bekannt für sein Werk „Über die Kunst mit Vögeln zu jagen„, in dem er in Wort und Bild seine Erfahrungen über die Aufzucht und Abrichtung von Jagdvögeln weitergegeben hat.
An diese Tradition knüpft der Ort Melfi an und vesetzt seit ein paar Jahren jeden Herbst seine Altstadt mit der „Falconeria“ ins Mittelalter zurück, wobei zahlreiche Falkner auf dem Platz vor dem Dom und rund um das Schloss ihre Tiere vorstellen und zeigen, was diese können. Auf Armeslänge entfernt von einer riesigen Eule, die man sich irgendwie kleiner vorgestellt hat, oder von den starken Schwingen eines dieser scharfkantigen Schnabelträger Wind ins Gesicht gefächelt zu bekommen, ist schon in ganz besonderes Erlebnis. Das weckt Emotionen!

Auch wenn man mit dem Falkner darauf wartet, dass sein Vogel, der sich so weit in den Himmel erhoben hat, dass er nur noch als winziger Punkt am babyblauen Himmel auszumachen ist, wieder zurückkommt. Ja, kommt er denn zurück oder fliegt er einfach weg? Nein, tatsächlich ist er herabgestüzt, um ein paar Stadttauben einen mächtigen Schrecken einzujagen. Wir lachen mit der Menge, aber zweifeln jetzt erst recht, dass sich der Vogel jemals wieder blicken lässt, wo er doch so viel Spaß mit dieser fetten Beute zu haben scheint. Doch die Falkener rufen und locken weiter. An einem langen Seil schwenken sie so lange eine Beute, bis der Vogel tatsächlich seine Runden immer kleiner um uns zieht und sich schließlich auf die Verlockung am Seilende stürzt. Und wieder sind wir erstaunt, wie groß diese Vögel von Nahem sind und wie stolz sie vom Arm ihres Falkners durch uns hindurchzusehen scheinen. Das ist wahre Erhabenheit! …und einen afrikanischen Geier haben wir in Melfi auch zum ersten Mal gesehen.








Nur wenn man ganz früh am Morgen schon durch Melfi streift, weil das mitgebrachte Kind ein früher Vogel ist, und sieht, wie die Raubvögel in Plastikkäfigen herantransportiert werden, dann wird dieser Eindruck kurzfristig geschmälert. Es ist doch irgendwie angenehmer, sich einen Falkner wie Rutger Hauer in „Ladyhawke“ vorzustellen, der seinen treuen Vogel immer auf dem Arm herumträgt, von wo aus er jederzeit in die Luft aufsteigen kann. Gut, nun ist auch nicht jeder Falke eine verzauberte Michelle Pfeiffer. Aber garantiert wird er von seinem Besitzer genauso bewundernd betrachtet. So wie von uns, die wir in der Menge stehen und staunen.











Dazu gibt es Marktstände, an denen man lokale Spezialitäten wie Wildschweinsalami oder Produkte aus Esskastanien probieren kann. Auch die Kastanienröster fehlen nicht und so zieht von mittags bis spät nachts der rauchige Geruch von Maronen durch die Gassen. Neben dem Schloss haben mittelalterliche Ritter ihr Lager aufgeschlagen und zeigen den großen und kleinen Festbesuchern den Umgang mit verschiedenen Waffen. Wer möchte, kann hier und auch direkt im Schlosshof das Bogenschießen ausprobieren. Ein Kürschner zeigt seine Felle und ein Knappe erklärt, woraus eine Ritterrüstung besteht.
Die Altstadt von Melfi ist nicht groß, aber selbst auf den gleichen Straßen hin- und herwandelnd entdeckt man immer wieder etwas Neues. Natürlich gibt es auch Festumzüge, zahlreiche Shows mit den Vögeln und viele Erklärungen, ja, auch leckeren Wildschweinbraten im Brötchen, der mit lokalem Bier oder Wein die Speiseröhre hinuntergleiten kann.







Wir waren das ganze letzte Oktoberwochenende 2024 in Melfi und haben uns nicht gelangweilt. Nicht zuletzt kann man auch das Schloss besichtigen, in dessen Vorhof die vielen Falken, Adler, Eulen, Kauze und auch ein Geier im Herbstschatten lagern. Es ist ein Museum für das sich auch das Wiederkommen lohnt, denn, obwohl unser Besuch etwas mehr als eine Stunde dauert, sind noch längst nicht alle Bereiche des Schlosses für Besucher geöffnet. So, lässt uns ein sympathischer Mitarbeiter kurz in Friedrichs Kapelle schauen, die eigentlich noch restauriert wird und nicht zu besichtigen ist. Wahrscheinlich hat ihn Davides lautstarke Begeisterung für das „coole“ Schloss besonders gnädig gestimmt. Glück gehabt!







Jedenfalls hat uns die ganze Atmosphäre in Melfi für drei Tage in eine komplett andere Welt versetzt. Dazu beigetragen haben auch ein tolles B&B direkt an einem Tor der Altstadt, das ganze duftende Grün der umliegenden Berge, und natürlich die unglaubliche Herbstsonne, die uns an einen verlängerten Sommer glauben ließ, kurz bevor der apulische Winter total verregnete. Uns hat das alles so gut gefallen, dass der nächste Regionalurlaub uns wieder in die Gegend um Melfi führen wird.







